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Michael Stich

Michael Stich

1968 Pinneberg

Kurzinformationen zum Künstler

Vom größten deutschen Tennisspieler zum wichtigsten deutschen Künstler! Dieser Satz klingt in den Ohren vieler grüblerischer Kurator*innen und grummeliger Kunsthistoriker*innen eher wie ein Affront! Aber warum eigentlich? Warum ist das Schubladendenken, insbesondere in Deutschland, noch immer so stark verbreitet? Ein*e Sportler*in ist in der Vorstellung vieler zuallererst und für immer und ewig ein*e Sportler*in. Aber auf gar keinen Fall ein*e gute Künstler*in.

Informationen zum Künstler

Vom größten deutschen Tennisspieler zum wichtigsten deutschen Künstler! Dieser Satz klingt in den Ohren vieler grüblerischer Kurator*innen und grummeliger Kunsthistoriker*innen eher wie ein Affront! Aber warum eigentlich? Warum ist das Schubladendenken, insbesondere in Deutschland, noch immer so stark verbreitet? Ein*e Sportler*in ist in der Vorstellung vieler zuallererst und für immer und ewig ein*e Sportler*in. Aber auf gar keinen Fall ein*e gute Künstler*in.
Leider steht es noch immer in keinem guten Ruf, mehrere Existenzen auf einmal auszuleben. „Der Doppelbegabte muss um seine doppelte Anerkennung bangen”, schrieb einst der Kunstkritiker Heinz-Nobert Jocks. Noch immer wird Kunst von Prominenten oft einfach nur belächelt. Völlig zu Unrecht! Das möchte ich als Kurator der Ausstellung Beyond Fame im NRW-Forum Düsseldorf zeigen. Die Schau versammelt künstlerische Arbeiten internationaler und nationaler Berühmtheiten und bietet dem Publikum die Gelegenheit, Einblicke hinter die Fassade der öffentlichen Personen zu erhalten, jenseits von Rolle und Prominenz. Die Ausstellung hält den Besuchenden oft auch einen Spiegel vor: In der Begegnung mit den Werken stellt man unwillkürlich fest, wie stark man von den medialen Stereotypen der prominenten Menschen beeinflusst ist. Und wie sehr diese die eigene Rezeption lenken und wie viele eigene Wünsche und Phantasien man selbst auf berühmte Menschen richtet.
Die Stars – Sportler wie Michael Stich, Musiker*innen wie Grimes und Peter Doherty oder Schauspieler*innen wie Meret Becker und Lea Dräger – teilen eine jahrelange und ernsthafte Auseinandersetzung mit der Kunst. Deshalb haben sie es verdient, dass wir uns als Betrachtende ebenfalls ernsthaft damit auseinandersetzen. Denn die Ergebnisse ihrer Werke sind oft unerwartet und überraschend. Und so unterschiedlich die Biografien der Persönlichkeiten und ihr künstlerischer Antrieb auch sein mögen, alle suchen in der Kunst eine neue Facette, eine zusätzliche Bereicherung des persönlichen Lebens.
Michael Stich, der frühere Wimbledonsieger und einer der besten deutschen Tennisspieler aller Zeiten, interessierte sich schon in jungen Jahren für Malerei, besuchte zahlreiche Ausstellungen und wurde zu einem begeisterten Kunstsammler. Schon seit rund 20 Jahren malt er, verarbeitet seine persönlichen Erfahrungen und bringt so sein Leben auf die Leinwand. „Kunst ist mein liebstes Hobby, meine Leidenschaft”, sagt er. „Angefangen beim Betrachten und Sammeln bis hin zum eigenen Tun. Sie ist für mich eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und in eine andere Welt einzutauchen.” Man erkennt seinen Werken die Begeisterung für US-amerikanische Expressionisten wie Clyfford Still an. Mal entdeckt man ein wenig Sigmar Polke, dann wieder ein paar farbenfrohe Einflüsse aus Futurismus und Konstruktivismus. Zunächst ahmte Stich die Künstler nach, die er gut fand, später entwickelte er seine eigene Technik und seinen eigenen Stil.
„Tennis ist nicht nur ein Sport, sondern auch eine Kunst”, hat Erich Kästner einmal gesagt. Tennis ist Poesie in Bewegung, ein Duell mit viel Eleganz, Aggression und Dramatik. „Ich vergleiche den Tennisplatz deshalb gerne mit einer Leinwand”, sagt auch Stich. „Der Platz ist ein durch Linien vorgegebener Raum mit festen Regeln, in dem ich mich aber völlig frei entfalten kann. Und diesen Rahmen für Kreativität schafft auch eine Leinwand.” Stich liegt damit voll im Trend. Denn auch die neue Generation schreibt, malt, singt, fotografiert und liebt es, gängige Formate zu sprengen. Es entstehen wieder mehr Universalkünstler*innen. Da die Menschen immer älter werden und sie in ihrem Leben meist mehr als einen Beruf haben, sind sie zwangsläufig dazu gezwungen, sich immer wieder neu zu erfinden. 1997 hat Michael Stich – im Alter von gerade einmal 28 Jahren – seine Tenniskarriere beendet. Es bleibt zu wünschen, dass seine Kunstkarriere noch viele, viele weitere Jahre anhält.
Und natürlich ist Michael Stich (noch) nicht der wichtigste deutsche Künstler. Aber er ist auf dem Weg dorthin. Und vielleicht will er es auch gar nicht werden. Mich erfreut sein Mut und seine Energie, wie er das Kunstparkett betritt und für sich einnimmt. Er arbeitet mit viel Verve an seiner Technik, malt mit großer Leidenschaft in seinem Hamburger Atelier immer größer und expressiver, lässt seinen Emotionen freien Lauf – und erschafft so wunderbare Kunstwerke. Und vor allem gibt ihm die Kunst so viel zurück: „Wir verschieben viel zu oft unsere Träume”, sagt er. „Meine Kunst ist Spiegelbild meiner Persönlichkeit und meiner Emotionen. Es ist Leidenschaft, kein Broterwerb.” Da kann man abschließend nur urteilen: Spiel, Satz und Sieg.
Alain Bieber, Künstlerischer Leiter NRW-Forum Düsseldorf und Kurator der Ausstellung „Beyond Fame“